Die Wiedervernässung des Rathsbruch
Der Rathsbruch ist ein ehemaliges Niedermoor gelegen östlich von Zerbst zwischen Kleinleitzkau, Ragösen und Krakau. Der Boden befindet sich weitestgehend im Besitz der Stadt Zerbst. Geprägt ist der Rathsbruch von einer feuchten Wald- und Wiesen-Vegetation. Er wird von der Boner Nuthe durchflossen. Der Rathsbruch soll nun wiedervernässt und als Niedermoor in langfristiger Perspektive renaturiert werden
Der Zerbster Stadtrat einen Grundsatzbeschluss zum Wiedervernässungsprojekt Rathsbruch mehrheitlich angenommen. Verbunden mit dem Beschluss ist ein Nutzungsvertrag für die Wiedervernässungsfläche mit dem Verein Zerbst blüht auf e.V. Der Verein tritt damit für das Vorhaben als Projektträger auf. Die Stadt Zerbst beauftragt Zerbst blüht auf e.V. mit der Planung, Verhandlungsführung und Durchführung der Wiedervernässungsmaßnahmen insofern sie umsetzbar und genehmigungsfähig sind.

Geschichte
Mit Ausgang der letzen Eiszeit hat sich aus dem abschmelzenden Eis das Gewässersystem der Nuthen gebildet. An den Oberläufen gibt es verschiedene Niedermoorstandorte, die sich aufgrund der geologischen Bedingungen gebildet haben. Zu nennen sind hier die Nedlitzer Niederungen, Platzbruch und Rathsbruch. Heute sind diese Moore entwässert. Bereits im 16. Jahrhundert wurden in den Brüchen des Vorfläming erste Entwässerungsmaßnahmen durchgeführt. Es kam zu verstärkter Umwandlung von Auenwäldern in Wiesen durch Anlage von schmalen, flachen Stichgräben. Von 1850 bis in die 1970er Jahre wurden das Grabensystem ausgebaut und Drainagen angelegt. Von 1973 bis 1990 erfolgte eine intensivierte Melioration. Die Entwässerungsmaßnahmen über Jahrhunderte führten dazu, dass der Rathsbruch als degradiertes Moor vorliegt. Das Projekt beabsichtigt, den historischen Zustand des Rathsbruch wieder herzustellen, angepasst an die aktuellen Gegebenheiten.
Warum Wiedervernässen?
Es gibt viele Gründe, warum es sinnvoll ist, ehemalige Moore wieder zu vernässen. Ein Argument sticht im aktuellen Diskurs heraus: Der Klimaschutz. Feuchtgebiete sind der effizienteste Kohlenstoffspeicher überhaupt. Sie machen nur drei Prozent der globalen Landfläche aus, speichern aber auf dieser Fläche doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Welt zusammen genommen. Werden Moore trocken gelegt, kehrt sich dieser Prozess um: Sie emittieren den in ihnen gespeicherten Kohlenstoff massiv als Treibhausgas über einen langen Zeitraum hinweg. Die Bedeutung der Feuchtgebiete für den Klimaschutz wurde von der Bundes- und Landesregierung erkannt und das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz aufgelegt.
Derzeit wird der Moorkörper im Rathsbruch durch Entwässerung immer weiter ausgetrocknet. Der im Torf gespeicherte Kohlenstoff entweicht als Kohlendioxid und erzeugt damit einen immensen volkswirtschaftlichen Schaden. Allein im Rathsbruch, könnte dieser pro Jahr im sechsstelligen Euro-Bereich liegen. Bisher sind Emissionen aus Mooren nicht vom Zertifikate-Handel betroffen. Dieser Schaden könnte durch einen höheren Wasserstand im Rathsbruch vermieden werden.
Es gibt weitere nicht weniger wichtige Gründe, warum es sinnvoll ist, Moore wieder zu vernässen:
• Moore sind Lebensraum vieler spezialisierter Arten (Biodiversitätsschutz)
• Moore sind Speicher und Filter des Wasserhaushaltes (Grundwasserneubildung und Hochwasserschutz)
• Moore haben eine kühlende Wirkung auf lokales und regionales Klima
• Moore fungieren als Erholungs- und Erlebnisraum
Biodiversität
Intakte Moore sind Lebensraum für eine spezifische Flora und Fauna und tragen überdurchschnittlich zur Erhaltung der biologischen Vielfalt bei. Nasswiesen, Binsen- und Seggenriede sowie Röhrichte der Niedermoore beherbergen artenreiche Lebensgemeinschaften. Von naturnahen Feuchtlebensräumen und Mooren profitieren diverse Brutvogelarten sowie Amphibien- und Insektenarten.
Der Biber ist seit vielen Jahren im Rathsbruch heimisch. Durch seine Stautätigkeit sind bereits Flutrasen und Bruchwälder mit sehr guter Biotopqualität entstanden. Dies zeigt das Potential für den Artenschutz, welches in einer großflächigen Vernässung liegt. Die dadurch geförderte Entwicklung und ein höherer Wasserstand entsprächen viel eher den natürlichen Verhältnissen im Gebiet, als der derzeit durch die künstliche Entwässerung aufrecht erhaltene Zustand. Die Wirksamkeit von Vernässungen auf Teilflächen des Gebietes durch den Biber belegt dies. Die Maßnahmen im Rahmen einer Wiedervernässung würden das Schutzziel des Naturschutzgebietes Rathsbruch – die Erhaltung naturnaher Feuchtwaldgesellschaften mit einer charakteristischen artenreichen Bodenflora und Fauna am Rande des Fläming – unmittelbar begünstigen.
Die aktuelle in großen Teilen landwirtschaftliche Nutzung der Wiesenflächen des Rathsbruchs führt zu einer Verringerung der Artenvielfalt. Eine Änderung der Nutzung wird dieser Entwicklung entgegen wirken.
Wasserhaushalt
Intakte Moore bestehen zu ca. 90 % aus Wasser. Durch diese enorme Wasserhaltekapazität kann man ihre Wirkungsweise mit gigantischen Schwämmen vergleichen. Die zunehmenden Starkregen und Überschwemmungen lösen in der Intensivlandwirtschaft große Probleme aus. Abflussgräben und verdichtete Böden können das Wasser nicht speichern. So entsteht ein starker, schneller Abfluss mit dadurch hohen Hochwasserscheiteln, begleitet von Erosion, also Bodenabtrag. Intakte Moore könnten diese Gefahr mindern: Sie nehmen große Mengen Wasser auf und geben es erst nach und nach wieder an die Umgebung ab. Auf den Wasserhaushalt der Umgebung wirken sie also ausgleichend. Zudem sind sie wichtige Filter für das Grundwasser. Die Moorpflanzen nehmen Nähr- und Schadstoffe aus der Umgebung auf und reinigen das durchsickernde Wasser davon.
Moore haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Grundwasserstände in der Landschaft. Der Wasserstand im Moor beeinflusst direkt den Grundwasserstand im Zu- und Abstrom. Flurnahe Wasserstände führen somit zu höheren Grundwasserständen in der umgebenen Landschaft. Damit käme ein intaktes Moor auch der Landwirtschaft zugute, die auf einen gesunden Bodenwasserhaushalt angewiesen ist. Ein wiedervernässter Rathsbruch würde durch die Erhöhung des Wasserstandes zur Sicherung des Trinkwasserdargebotes beitragen.
Kühlende Wirkung
Moore mit flurnahen Wasserständen zeichnen sich durch eine erhöhte Verdunstung aus. Die für die erhöhte Verdunstung aufgebrachte Energie hat eine abkühlende Wirkung und trägt zu den niedrigeren Sommertagestemperaturen in einem Moor bei. Aufgrund dieses spezifischen Lokalklimas wird den Mooren auch eine ausgleichende Wirkung auf das Regionalklima zugesprochen.
Funktion als Erholungs- und Erlebnisraum
Moore bieten ein faszinierendes Naturerlebnis. Besonders wäre hier an Schulklassen zu denken. Durch Exkursionen ins Feuchtgebiet können Schülerinnen und Schülern Zusammenhänge in der Natur plastisch näher gebracht werden. Für die lokale Bevölkerung kann ein Ausflug ins Moor ein interessantes Ziel sein, dies kann durch Führungen organisiert werden.
Vorhaben
Das primäre Ziel des Projekts ist die Wiedervernässung des Rathsbruch unmittelbar damit verbunden ist die Renaturierung der Boner Nuthe. Im Kernbereich wird die Renaturierung des Moores angestrebt, ein Vorgang, welcher Jahrzehnte dauern kann. Ein Moorboden kann dann aktiv CO2 in erheblichem Umfang speichern. In der ersten Phase der Wiedervernässung wird der Prozess der Freisetzung von C02 aus dem torfhaltigen Boden gestoppt und später umgekehrt.
Methodik
Das Grundprinzip einer Moorwiedervernässung besteht darin, durch geringere Wasserverluste die Wasserstände anzuheben und zu stabilisieren. Maßgeblich für die Zu- und Abflussmengen bei Niedermooren sind beispielsweise die Faktoren Klima, Relief, geologischer Untergrund, Boden und Vegetation des Einzugsgebietes. Zur Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen müssen jeweils die Landschaft, das Einzugsgebiet, das zeitliche und räumliche Fließverhalten, die Form und Intensität der vorhergehenden Landnutzung und die existierenden Entwässerungseinrichtungen einbezogen werden.
Die Maßnahmen zur Wiedervernässung zum Moor sind der Rückbau oder die Verlandung von Entwässerungsgräben und Drainagen. Der Zustand vor den ersten Entwässerungsmaßnahmen ist aus historischen Quellen nicht mehr zu rekonstruieren. Das wahrscheinlichstes Szenario ist, dass der Talbereich von einem mäandrierenden Gewässer durchströmt wurde. In Anlehnung an dieses Szenario sollte die Boner Nuthe verlegt werden. Das jetzige sehr vertiefte Bachbett wurde künstlich angelegt und dient der Entwässerung des Gebiets. Diese Funktion muss gestoppt werden. Absicht ist die Entwicklung eines für Niederungsgebiete typischen „organisch geprägten Bachs“.
Ziel ist es durch die Maßnahmen einen möglichst idealen Wasserstand zur Regenerierung des Moores zu erreichen. Leitprinzipien des Projekts ist, möglichst minimalinvasiv vorzugehen und mit schonenden Methoden die Wiedervernässung einzuleiten. Zur Aufklärung der hydrologischen und geologischen Gegebenheiten auf einer soliden Datenbasis wird ein hydrogeologisches Gutachten in Auftrag gegeben.
Ausblick
Mittel- und langfristig wird ein wieder vernässtes Moor durch die regionalen Auswirkungen vor allem auf den Wasserhaushalt und die Trinkwasserversorgung positiv auswirken. Langfristig könnte sich wieder ein Moorkörper mit kohlenstoffspeichernder Funktion entwickeln. Zu erwarten sind verschiedene Vegetationsstadien mit Auen- und Erlenbruchwäldern, Röhrichten Großseggenried und Weiden-Faulbaumgebüsche. Entsprechend der höheren Wasserstände wird sich das Arteninventar anpassen.
Mit der Wiedervernässung des Rathsbruch kann die Stadt Zerbst ein Klima- und Naturschutzprojekt mit überregionaler Strahlkraft initiieren und Verantwortung übernehmen, den Prozess der Klimaerwärmung und des Artensterbens zu stoppen und umzukehren.